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Bente ist neu in der Kita „Purzelbaum“. Sie macht gerade eine Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin und arbeitet einmal die Woche in der Kindergartengruppe der „Waldwichtel“. In der Gruppe sind 20 Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren.
Heute Morgen ist es noch ruhig. Die Kinder treffen langsam ein. Gerade kommt Tomke (4;4 Jahre) an. Sie wird heute von ihrer Oma in die Kita gebracht. Bente hört, wie Tomke aufgeregt erzählt: „Mama und Papa sind nämlich im Krankenhaus. Mama bekommt ein Baby. Und dann bin ich große Schwester.“ Tomke wirkt ganz freudig aufgeregt. Nachdem sie ihrer Oma am Fenster gewunken hat, fragt sie die Erzieherin Lovis, ob sie sich ihr Portfolio anschauen könne. „Ich muss ja jetzt meine Familienseiten neu machen, wenn ich ein kleines Geschwisterchen bekomme.“
Lovis ist auch Bentes Anleiterin. Diese schaut Bente an und sagt: „Bente, kannst Du das mit Tomke bitte machen? Die Portfolio-Mappen stehen da oben im Regal, schau.“ Und sie zeigt Bente das Regal. Bente und Tomke gehen zum Regal und suchen Tomkes Portfolio-Mappe raus. Zusammen setzen sie sich an den Tisch und schauen sich die Familienseiten an. Tomke kommentiert fleißig. „Und das ist Mama, schau, da ist sie in unserem Garten und macht was am Blumenbeet. Und das bin ich auf der Schaukel. Die hat Papa gebaut. Papa ist auch auf einem Foto, hier, da waren wir irgendwo im Urlaub. Und das ist meine Katze. Sie heißt 'Zitrone'. Lustig, oder? Und hier sind wir alle zusammen auf einem Bild und machen Quatsch.“
Jona (5;2 Jahre) kommt dazu. Er schaut interessiert mit ins Portfolio. „Wo ist denn Deine Oma?“ fragt er. „Und Deine Geschwister?“ Tomke erwidert: „Meine Oma wohnt nicht bei uns, die wohnt ganz weit weg. Und ich habe noch keine Geschwister, aber meine Mama bekommt bald ein Baby. Deshalb muss ich auch neue Bilder dann mitbringen für mein Portfolio.“ „Wir wohnen alle zusammen. Meine Oma, meine Mama, mein Papa, mein Bruder, meine drei Schwestern und ich.“ Auch Sascha (4;10 Jahre) und Erin (5;11 Jahre) kommen dazu. „Ich wohne nur mit meiner Mama zusammen. Und wir haben noch einen Hund. Der heißt 'Pan'“, sagt Sascha. „Und ich habe zwei große Brüder. Die sind schon ganz alt. Die haben auch einen anderen Papa als ich. Sie wohnen aber trotzdem bei uns und besuchen ihren Papa immer mal. Und mein Papa hat noch ein Kind, das eine andere Mama hat. Das ist auch eine Schwester von mir, die wohnt aber nicht bei uns.“
Jetzt mischt sich Bente ein. „Ah, das nennt man dann eine Patchworkfamilie, Erin.“ „Ja, das habe ich auch schon mal gehört“, sagt Erin. „Und wie heißt meine Familie?“, möchte Tomke wissen. Und auch Sascha und Jona wollen wissen, ob es für ihre Familienformen einen Namen gibt. Doch da ist Bente nun überfragt und ärgert sich, dass sie sich überhaupt in das Gespräch der Kinder eingemischt hat. Sie lenkt das Gespräch wieder auf die Portfolio-Mappen. „Wollen wir uns Eure Familien in den Portfolio-Mappen auch mal anschauen?“, fragt sie Jona, Sascha und Erin. Die Kinder sind begeistert, und gemeinsam schauen sie sich ihre Familien an. „Wo ist denn Deine Portfolio-Mappe, Bente?“, fragt ein Kind. „Ja, wir wollen uns auch Deine Familie anschauen.“ Bente schaut ratlos. „Ich habe keine Portfolio-Mappe.“ „Kannst Du nicht auch so eine Familienseite machen? Über deine Familie?“
Am Nachmittag, als alle Kinder abgeholt worden sind, kommt Lovis auf Bente zu. „Wir haben in zwei Wochen Elternabend. Dort wollen wir den Eltern die Portfolio-Arbeit nochmal vorstellen. Du hast Dir heute ja mit ein paar Kindern die Mappen angeschaut. Hast Du noch Fragen?“, sagt Lovis. „Wozu ist das Portfolio eigentlich genau gedacht?“, fragt Bente interessiert. „Ein Portfolio dokumentiert alles, was für das Kind wichtig ist. So kann das Kind selber, wir Pädagogen, aber auch die Eltern sehen, welche Stärken das Kind hat, welche Situationen es erlebt hat und welche Lernschritte es gemacht hat.“ „Aha.“ Bente denkt nach. „Also kommen da nicht nur Sachen aus dem Kindergarten rein? Wie z.B. die Familienfotos?“ „Genau“, sagt Lovis, „die Familie ist für das Kind wichtig, denn sie übernimmt wichtige Funktionen für das Kind.“ Lovis denkt kurz nach. „Da habe ich eine Idee. Schau doch mal, dass Du für den Elternabend ein Plakat erstellst über die 'Funktionen der Familie'. So können sich die Eltern das auch direkt anschauen und Du hast etwas zum Elternabend beigetragen.“ „OK.“ sagt Bente, und verabschiedet sich.