3. Näherinnen in Asien und Osteuropa

Die meisten Beschäftigten in der Bekleidungskonfektion Asiens sind weiblich. Heute liegt der Frauenanteil in China bei ca. 70 %, in Bangladesch bei 85 % und in Kambodscha sogar bei 90%.

Für Frauen bedeutet die Arbeit in den Fabriken Fluch und Segen zugleich. Historisch gesehen war und ist die Fabrikarbeit überall auf der Welt ein erster Schritt zu mehr Selbstständigkeit und Gleichberechtigung. Laut der bengalischen Sozialökonomin und Autorin Naila Kabeer stärkt die Bekleidungsindustrie die Rolle der Frauen in Bangladesch, da sie in hohem Maße zum Familieneinkommen beitragen. Kabeer betont, dass die Fabrikarbeiter_innen im Vergleich zu anderen Frauen zudem ihre Rechte besser kennen, sie aufgeklärter und kritischer sind. Die Arbeit erlaube ihnen den Weg aus der schlimmsten Armut, sie könnten ihren Kindern eine Schulbildung ermöglichen und erreichten selber eine größere Unabhängigkeit.

Auf der anderen Seite arbeiten die Frauen zu Hungerlöhnen unter oft unwürdigen Bedingungen an 6 Tagen die Woche häufig bis zu 10 bis 14 Stunden täglich und sind gleichzeitig für Familie und Haushalt verantwortlich.

Die Situation der Näherinnen in Osteuropa stellt sich deutlich anders dar als in Asien. In der asiatischen Bekleidungsindustrie arbeiten insbesondere junge Frauen mit zumeist nur geringer Schulbildung, die vom Land in die Städte wandern, um Arbeit zu finden, mit der sie sich und ihre Familien zuhause ernähren können.

In den osteuropäischen Betrieben sind überwiegend Frauen mittleren Alters tätig, die in der Regel eine längere Schulbildung genossen haben, zumeist über eine Berufsausbildung verfügen, nicht selten sogar über einen Universitätsabschluss. Diese Frauen arbeiten bereits seit vielen Jahren in der Bekleidungsindustrie.

Mit dem Auseinanderfallen des Ostblocks erfolgte zunächst eine starke Deindustrialisierung in den osteuropäischen Ländern. Ab Ende der 1990er Jahre entstanden viele kleine bis mittel-große Lohnnähereien, aber mit schlechten Arbeitsbedingungen.

Mit der Wirtschaftskrise 2008 und dem Erstarken der asiatischen Zulieferer schrumpfte die osteuropäische Bekleidungsindustrie wieder deutlich, wodurch sich die Arbeitsbedingungen weiter verschlechterten. So wurden z. B. die Näherinnen in Bulgarien als Folge der Krise in „unbezahlten Urlaub“ geschickt. Die Arbeitsplätze wurden teilweise ausgelagert.

Heute arbeiten viele Frauen in Heimarbeit als selbstständige Auftragnehmerinnen. Sie tragen das gesamte Risiko sowie die Kosten für ihre soziale Absicherung selber.

In allen osteuropäischen Ländern nutzten die Unternehmen so die Krise, um Arbeitsrechte zu missachten und Löhne erheblich zu drücken.


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